Kaum gehen 3 Jahre mit Covid ins Land, schon kann man sich wieder im realen Leben zu Whisky Tastings treffen. Wobei das nicht so ganz stimmt, es gab im Vorfeld der Messe bereits ein Präsenztasting, an dem ich aber nicht teilnehmen konnte. Für mich war es also Premiere. Sehr schön, Menschen wieder real zu treffen. Auch wenn man dafür nach dem Tasting heim fahren muss und nicht einfach nur den Rechner zuklappen kann. Aber das ist ein kleiner Preis, den man für die Realität zahlt. Eine neue Location gab es diesmal auch, nämlich das CROSS im Englischen Garten. Dank U-Bahn-Nähe gut zu erreichen, netter und kompetenter Service und auch die Snackplatten mit Wurst und Käse in der Pause waren lecker. Einziges Manko: da in dem Nebenzimmer, in dem wir waren, rundherum glatte Wände ohne Möbel oder sonstiges waren, war der Lautstärkepegel enorm. Das hat es für mich extrem anstrengend gemacht, die ganzen Jahre Musikmachen sind nicht spurlos an meinen Ohren vorbeigegangen. Den Gesprächen mit den Nebenmännern zu folgen, war eine Herausforderung.
Nun aber zu den Whiskys. Acht Flaschen waren regulär am Start, alles spannende Fundstücke von Marco auf der München Spirits. Dazu gab es eine Bonusflasche, die bei einer Bestellung von Klaus Pflichtbeigabe war und von ihm als Eröffnung in die Tastingrunde geworfen wurde.
Glen Scotia Campeltown Harbour, OA, NAS, 40%
Die einzige Abfüllung in Trinkstärke, deswegen zur Eröffnung. In der Nase Zitrusfrüchte und Bourbonfass, sehr straight aber auch sehr angenehm. Das setzt sich im Mund fort. Ein klarer und typischer Schotte aus dem Bourbonfass, eher herb mit schönen Fruchtnoten drin. Der Abgang mittellang mit Vanillenoten. Das Etikett spricht von sea spray & gentle smoke, was wir beides nicht nachvollziehen konnten. Muss aber auch gar nicht sein. Das ist ein typischer, aber sehr angenehmer Trinkwhisky, der keine Herausforderungen stellt, sich aber auch keine Schwächen leistet. Kann man gemütlich vor sich hintrinken. Die an sich eher schmalbrüstigen 40% fallen auch nicht unangenehm auf.
Linkwood, Villa Konthor, Wine Finish, 12 Jahre, 56,3
Die 15-Jahre-Jubiläumsabfüllung der Villa. Zwar war ich bei der Messe am Stand und habe dort nicht nur Flaschen probiert, sondern auf gekauft – diesen hier allerdings nicht. Abfüllungen aus dem Weinfass finde ich auch gern mal schwierig. In der Nase wird das Fass schon mal recht deutlich. Weiniges Aroma, Erdbeere, Bienenwachs, Pfirsich und eine leichte Schärfe. Der Geschmack ist überraschend alkoholisch. Trotz des Glen Scotia davor, wir steigen ja nicht direkt mit Fassstärke ein. Ansonsten ist das geschmacklich eigen, aber nicht so richtig gut zu greifen. Mit etwas Wasser wird er verträglicher und cremiger, bis in den Abgang hinein. Aber diese Abfüllung gehört dann letztlich doch zu denen, die bei mir nicht so richtig funktionieren.
Blair Athol, Berry Bros & Rudd, Oloroso Cask 307589, vermutlich 12 Jahre, 54,1%
Vom Erdbeerfeld direkt in den Wald. Holz, dunkle Beeren, leicht muffige Noten und Karamell in der Nase. Geschmacklich ist meine erste Assoziation Pilze. Vielleicht führt das Fass in die falsche Richtung, hier kommen schwefelige Noten heraus und auch Gewürze. Ein wenig erinnert das an englischen Christmas Cake. Auch im Abgang dominieren dunkle und eher herbe Töne. Mein Fazit dazu ist sehr unklar. Abhängig von der Tagesform könnte ich mir gut vorstellen, dass ich den entweder ziemlich spannend oder aber auch eher unattraktiv finde.
Glenallachie, Duncan Taylor via Kirsch Import, Sherry Octave Small Batch, 14 Jahre, 53,8%
Wir bleiben in einer ähnlichen Ecke, wenn auch mit einem ganz anderen Ergebnis. Hier wurden zwei Octavefässer miteinander vermischt, in denen der Whisky aufgrund der geringen Größe recht schnell und intensiv reift. Leichte Schwefelnoten gibt es auch hier in der Nase, die ich aber sehr angenehm finde. Dahinter ist reife, rote Frucht in Richtung Sauerkirsch oder Johannisbeere. Geschmacklich sind es hier auch eher herbe Sherrynoten, ich sehe mich spontan auf einer schweren Ledercouch vor dem offenen Kamin, während draußen der Sturm den Regen ans Fenster peitschen lässt. Bei dem feinen, eleganten und langen Abgang kann einem das herzlich egal sein. Der Whisky polarisiert ziemlich am Tisch. Während die untere Seite gar nichts mit ihm anfangen kann, findet unser Ende den sehr schön. Für mich ist das sogar der klare Gewinner des Abends.
Speyburn, OB exclusively to Shinanoya, 1st-fill-Sherry Cask 614, 13 Jahre, 52,5%
Hierbei handelt es sich um eine Abfüllung für den japanischen Markt, die außerhalb solcher Events wie einer Messe kaum erhältlich sein dürfte. Stilistisch auch wieder eine ähnliche Ecke wie der Vorgänger. Eher herber Sherry, in der Nase sehr deutlich Marzipan, im Mund Cassis und Honignoten. Im langen Abgang geht es über in eine schwere Süße. Alles in allem ebenfalls eine sehr elegante und ausgewogene Abfüllung mit viel Klasse.
Ben Nevis, Best Dram, First Fill Red Wine Cask #107, 10 Jahre, 55,3%
Nach dem Essen geht es weiter mit noch einer Abfüllung aus dem Rotweinfass. Auch hier finden sich wieder Erdbeeraromen, die hier aber eher an Erbeerjoghurt erinnern. Ich hab auch eine Assoziation zu diesen rotgelben Schaumgummistücken, die es früher immer bei Volksfesten gegeben hat. Ein paar Gewürznoten sind auch dabei. Im Mund erinnert das alles eher an die Früchte in Roter Grütze. Im Abgang hat das was von Sekt, der einem in die Nase steigt. So richtig zünden will das bei mir alles nicht, aber die Position nach dem Essen ist ja auch immer die schwierigste. Wenn ein Whisky dann so eigen ist wie dieser hier, dann fällt die Bewertung schwer. Ob ich mir den ins Regal stellen würde, ist aber insgesamt ziemlich zweifelhaft.
Bimber Destillery, Whiskyfacile, PX-Sherry-Finish, 4 Jahre, 58,9%
Es bleibt exotisch. Eine vierjährige Abfüllung aus einer englischen Destillerie, ausgesucht von einem italienischen Vertrieb. Vom Marketing her ist man auf der Höhe der Zeit. Was der Whisky kann, muss sich zeigen. Dieser hier ist jedenfalls extrem eigenwillig. Hält man die Nase übers Glas, so betritt man direkt einen Douglas-Shop. Zumindest legt das der perfümige Charakter nahe. Im Mund ist er unfassbar süß. Statt bei Douglas ist man hier in einem Süßwarenladen in Istanbul, im dem Baklava noch das dezenteste ist. Es gibt viele verschiedene Zuckernoten, unter anderem erinnert mich das an Churros und ähnliches. Aber trotzdem ist das hier eben kein Likör, sondern harter Alkohol, auch wenn der trotz des jungen Alters und der Fassstärke eher im Hintergrund bleibt. Sehr abgefahren, ich hatte noch nie was im Glas, was auch nur ansatzweise vergleichbar gewesen wäre. Allerdings werden hier auch Preise aufgerufen, die ich keinesfalls zu zahlen bereit bin.
Caol Ila, Thompson Bros, 10 Jahre, 52,7%
Caol Ilas gab es reichlich auf der Messe. Dieser kommt für mich ziemlich typisch daher. Rauch, der eher an kalte Asche erinnert als an Schinken, Zitrusnoten, alles eher hell und klar. Geschmacklich kräftig, aber sehr gut ausbalanciert mit einem langen Abgang, der in einer leicht schmelzigen Süße endet. Nicht außergewöhnlich, aber alles genau so, wie es sein sollte. Klasse Abfüllung.
Braon Peat, The Warehouse, Sherry Edition 1 in PX Octave Casks, 54,1%
Peated aus Islay, die Destille darf nicht genannt werden. Hier ist jetzt der Schinken, kräftig in der Kombination mit dem Sherry. Auch hier setzt sich das schlüssig im Mund fort. Die Kombination aus Torf und Sherry funktioniert und ist gut eingebettet, ohne dass eine Note überlagern würde. Nichts medizinisches, auch keine anderen auffälligen Noten, die Tipps gehen einhellig zu Lagavulin. Ein langer, mächtiger Abgang rundet alles ab. Auch hier keine Überraschungen, aber eben alles richtig gemacht. Für Torffreunde genau so richtig wie der Caol Ila.
Schönes Lineup mit interessanten Sachen dabei. Danke an Marco für’s Aussuchen und Organisieren! Und an alle anderen einfach dafür, dass sie dabei waren. Bis zum nächsten Mal.