Die Entwicklung der Finest Spirits von einer kleinen Fach- zu einer großen Eventmesse geht konsequent weiter. Weniger Whisky, vor allem weniger unabhängige Abfüller und dafür große Namen, mehr andere Spirituosen und trendige Produkte bis hin zu Gummibärchen mit Alkohol. Gummibärchen! Dementsprechend entwickelt sich auch das Publikum weg von den Liebhabern hin zur Masse. Würde ich da nicht immer noch einige gute Menschen vor und hinter den Ständen treffen, so wäre 2017 wohl meine endgültig letzte Finest Spirits gewesen. Wir waren auch noch nie so schnell mit den relevanten Sachen wie dieses Jahr.
Begonnen habe ich wie immer bei Munich Spirits. Leider musste Pit Krause dieses Jahr auf die Messe verzichten, weswegen auch keine Monster Malts am Start waren. Einerseits schade, andererseits aber auch wieder gut für meinen Geldbeutel. Zum Einstieg trinke ich hier einen Glenrothes SMWS 30.92 Brighten Up Your Day, 24y, Bourbon Refill, 46,7%, der nicht nur als Einstieg sehr schön ist. Nicht ausgefallen, sondern in erster Linie ein runder, milder, geradliniger Whisky aus dem dem Bourbonfass, mit einer schönen Mischung aus Frucht und Vanille.
Direkt nebenan ist der Stand von Bruichladdich und damit quasi der einzige große Name, der mich interessiert. Bruichladdich ist eine alte Liebe von mir, die aber seit dem Verkauf der Destillerie leider ziemlich erkaltet ist. Der alte Laddie Ten war einer meiner absoluten Referenzwhiskys, an dem sich alle anderen erst mal messen mussten (und nicht wenige gescheitert sind, auch deutlich teurere). Eine Flasche davon habe ich noch zu Hause, dann ist es vorbei. Deswegen war eine der spannendsten Meldungen in letzter Zeit, dass es eine limitierte Second Edition gibt. Die musste natürlich ins Glas. Aber leider leider kommt auch diese Abfüllung nicht an die alte Größe heran. Grundsätzlich geht das schon in die richtige Richtung, mit einem kräftigen Antritt im Mund gut eingebauter Frucht. Aber die Klasse des alten erreicht er hier nicht. Vor allem hat er aber einen erschreckend kurzen und nichtssagenden Abgang. Das ist absolut kein Ersatz und der Preis, den sie dafür aufrufen, ist für diese Abfüllung klar zu hoch.
Am Laddie-Stand hab ich auch die ersten Freunde getroffen und so ziehen wir dann gemeinsam weiter. Nach einem kurzen Zwischenstop bei Riegger, auf dessen Tasting ich am Vortag war und dessen Fass für die Messe nach wie vor in meiner engeren Auswahl ist, gehen wir weiter zu einem Pflichtbesuch. Die Jungs von der Single Cask Collection aus Linz haben immer lohnenswerte Abfüllungen dabei (auch wenn uns die Österreicher von einem anderen Besucher ganz „zufälig“ eine gute Viertelstunde lang als komplette Idioten verkauft werden sollen, was zwar kompletter Schmarrn ist, aber immerhin einen guten Running Gag für den restlichen Abend abgibt). Hier kaufen wir als erstes mal vernünftige Gläser (Glencairn statt der Mini-Schnaps-Tulpen, die es auf der Messe gibt) und probieren dann erst einen Croftengea 10y, 53,8%. Unter diesem Namen füllt Loch Lomond inzwischen getorfte Whiskys ab. Das interessante daran ist, dass der Torf ganz anders herauskommt, als man es von den typischen Islay-Abfüllungen gewohnt ist. Kein Job, keine Schwere, sondern ein leichter (aber deutlicher) Rauch mit Frucht dazu. Sehr schön. Ich probiere dann noch einen Aberlour 10y, 56,6%, aus dem Homok-Fass, der mir ebenfalls ausgesprochen gut gefällt. Tiefe, schwere Süße, dabei aber wunderschön rund und ausgewogen. Zwei weitere Kandidaten für die Einkaufsliste.
Beim Vorbeischlendern an mehreren mäßig spannenden Ständen kommen wir zu Kymsee. Deutscher Whisky war ja die letzten Jahre schon ein Hypethema und hier hat sich der nächste Schnapsbrenner an der Gerste versucht. Eigentlich hab ich aufgrund des Namens und des Schriftzugs, die beide ärgerlich an Mittelaltermarkt-Klamauk inklusive dem vollen Programm an „Authentizität“ erinnern schon von Vornherein keine Lust darauf, aber da wir eine Empfehlung bekommen haben, nehmen wir zu dritt ein Glas. Um es kurz zu machen: das ist mehr als genug. Es ist die übliche Kombination aus Obstler-ähnlichem Schnaps und viel zu viel Holz. Da mag noch so viel Potential da sein, in der Form brauch ich das absolut nicht. Der Rest des Glases landet im Blumenkübel.
Ein Bekannter vom letzten Jahr ist der Bavarian Moonshine. Die haben ihre Range um ein paar neue zugesetzte Aromen erweitert. Ich probiere einen Straight, einen klaren Brand ohne Fasslagerung. Nett, aber muss nicht sein. Den Apple Pie finde ich nach wie vor gut, aber da hab ich noch eine halbe Flasche im Schrank stehen.
Zum Essen suchen wir diesmal nicht den Gastro-Bereich auf, sondern bleiben direkt am Südtiroler Speckstand. Da gibt unter anderem es Bauerntoast und Schmalzbrot. Von beidem könnte ich noch mehrfach nachbestellen, aber wir sind ja nicht zum Essen da.
Wofür wir eigentlich auch nicht da sind, ist Bier. Allerdings haben wir die meisten interessanteren Stände schon durch, weswegen wir dann doch mal bei Braufactum stehen bleiben und uns um nicht nicht destillierte Gerste kümmern. Bei mir ist das ein Scottish Ale, das mir gut schmeckt, aber eher in die Kategorie „komplette Mahlzeit“ fällt. Börps.
Irgendwie ist die Luft an der Stelle schon ziemlich raus. Wir debattieren ein bisschen, was wir einkaufen wollen, verballern noch zwei der Gutscheine, die es zur Eintrittskarte dazu gibt (1cl Standard Glen Grant – kann man machen, muss man aber nicht – und ein Stamperl Johnny Walker mit Ginger Ale – Varianten vom Horse’s Neck gehen immer) und pilgern dann zurück zu Riegger, der sich letztlich knapp gegen die Single Cask Collection durchsetzt und mit seinem Fass das Rennen macht. Dass man seine Flasche aus diesem selber abfüllen und etikettieren kann, spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Das macht einfach Laune. Vor allem, wenn der Inhalt – ein achtjähriger Glenallachie mit inzwischen 2 Monaten Finish in besagtem Port-Fass – sich noch lohnt.
Meine Gesellschaft verabschiedet sich an dieser Stelle und ich hätte gute Lust, mich anzuschließen. Aber inzwischen sind noch andere Freunde angekommen und so beschließe ich, doch noch ein wenig zu bleiben. Ein paar Stände hab ich ja doch noch nicht besucht. Zum Beispiel den von Maggie Miller vom Scotch Single Malt Circle, der eigentlich auch immer lohnt. Die anderen trinken Rum, ich wähle einen Bruichladdich Bygda Connection 61,5%. Das ist jetzt schon eine ganz andere Hausnummer als der neue Ten vohin. Großer, mächtiger Whisky, der unbedingt Wasser braucht, um seinen ganzen Geschmack zu entfalten. Sehr gut, aber leider aus der Kategorie „gibt es nicht mehr“.
Nochmal ein kleiner Zwischenstopp bei der Single Cask Collection, bei der allerdings eine Pause einlege. Dann weiter zur American Whisky Academy. Dort wird mir ein Ranger Creek Rimfire Mesquite Smoked als Besonderheit empfohlen. Preislich ist sie das auf alle Fälle, die Abfüllung ist schon lange verkauft, hier gibt es nur noch Restbestände an Flaschen. Die Verkostung lohnt aber, denn das hier ist wirklich durch das Trocknen des Malzes über Mequite-Feuer eine ganz eigenwillige Art von Rauchigkeit. Kein Ãœberflieger und ich kann auch gar nicht wirklich beschreiben, wie der genau geschmeckt hat – aber jedenfalls hab ich noch nie was vergleichbares getrunken. Dafür können Messen dann auch immer wieder gut sein.
Auch diese Gruppe muss ich zu Riegger schleifen und dort trinken wir noch unsere Abschlusstropfen (in meinem Fall genau den Glenallachie, den ich auf abgefüllt habe), dann reicht es zumindest mir dann doch für diesen Abend.
Das Fazit bleibt – die Messe ist immer weniger meins, aber in der richtigen Gesellschaft kann man immer noch seinen Spaß haben. Trotzdem überlege ich, ob es nicht langsam an der Zeit ist, sich mal ein paar der kleineren Messen in anderen Städten genauer anzuschauen. Das Jahreshighlight, dass es mal war, ist es in jedem Fall nicht mehr.
Sehr guter Beitrag, der – wie ich finde – die Entwicklung der Finest wirklich treffend abbildet. Mir und vielen befreundeten Whisky-Liebhabern ging es in den letzten Jahren ganz genauso. Die kindliche Vorfreude auf eines der Jahresevents schlechthin hat sukzessive nachgelassen. Das von Ihnen gut abgebildete Angebotsspektrum hat sich wirklich hin zum Mainstream entwickelt, was nicht zuletzt auch durch die schmerzhafte Abwesenheit des Slow-Drink-Angebotes (insb. der Monster Malts) verdeutlicht wird. Die guten alten Anfangszeiten auf der Praterinsel sind wohl für immer vorbei…. Damals ging es noch primär um Inhalt und Lebensgefühl. Dafür würde ich gerne auch auf die ganze aalglatt geschleckte und durchgestylte „Diageo-Großkonzern“-Aufmache verzichten und wieder in einem Nebenzelt deftiges Fingeer-Food und Ale genießen, während ich entsprechender irisch-schottischer Musik lausche… Man wird ja wohl noch träumen dürfen 🙂 Da führt der Weg zukünftig wohl doch auf kleinere Events in der ein oder anderen deutschen (Klein-)Stadt!
Die Abwesenheit von Slow Drink hatte allerdings nichts mit der Messe an sich zu tun, sondern lag alleine daran, dass Pit leider aus persönlichen Gründen verhindert war.
Da muss ich mich korrigieren, stimmt. Besser ausgedrückt, war das einer der letzten Gründe, der Messe dieses Jahr fern zu bleiben….