44. Whiskytasting von Munich Spirits – Blind Tasting

Es gibt nur eine echte Art, Tastings durchzuführen und das ist das Blind Tasting. Unsere Geschmacksinne sind nicht nur stark limitiert, sie sind vor allem auch extrem leicht zu beeinflussen und zu täuschen. Was wir erwarten, das riechen bzw. schmecken wir auch. Das führt nicht nur dazu, dass wir meistens das in einem Whisky finden, was wir vorher über ihn gelesen oder gehört haben. Es führt auch regelmäßig dazu, dass wir teurere Whiskys für besser halten als günstige. Einfach nur, weil der Preis die Erwartungshaltung verändert.
„Blind“ zu verkosten – also ohne Wissen darüber, was genau man da im Glas hat – schaltet diese Beeinflussungen weitestgehend aus. Hier kann man dann herausfinden, wie man einen Whisky (oder auch jedes andere Getränk oder jede andere Speise) tatsächlich findet. Es macht einen außerdem wieder etwas demütig, denn man neigt mit der Zeit dazu, sich maßlos zu überschätzen. Wenn man dann mal offensichtliche Noten nicht erschmeckt oder einen eigentlich bekannten Whisky komplett falsch einschätzt, dann holt einen das zuverlässig wieder auf den Boden zurück. Deswegen ist das für mich nicht nur ein gesunder Weg, sondern ein absolut notwendiger, wenn man wirklich brauchbare Ergebnisse haben möchte.

Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als Marco von Munich Spirits ein Blind Tasting angekündigt hat. Das war wohl nicht bei jedem so, denn im Gegensatz zu sonst waren die Plätze nicht binnen weniger Stunden belegt. Die letztlich Anwesenden haben den Abend aber wohl genau so wenig bereut wie ich. So viel sei schon vorweg genommen.

Gereicht wurden immer Päärchen von Whiskys, die eine gewisse Gemeinsamkeit hatten, aber sich auch unterschieden haben. Jede Paarung stand dabei unter einem Motto, das aber zum Zeitpunkt der Verkostens genau so wenig bekannt war wie alle anderen Rahmendaten (außer der Farbe, denn wir hatten normale und keine geschwärzten Gläser). Es galt also, alles mit Nase und Mund zu erfahren, was es zu wissen gab. Aufgelöst wurden die Details dann nach und nach, von Alter über Stärke und Reifung bis hin zur Destillerie und der genauen Abfüllung.

Erste Paarung
Whisky Nummer 1 hatte einen ganz leichten Rosé-Ton. Die erste Assoziation beim Riechen waren Trauben und beides hat mich an die Abfüllungen erinnert, die in Weinfässern nachgelagert wurden. Danach kamen recht deutliche Fruchtnoten (für mich eher unreife Frucht, für andere eher sehr reife). Der Geschmack war ebenfalls fruchtig, recht mild, sehr süß und hatte auch wieder diese leichte Spur von Traubenschalen. Das alles hat mich sehr an die Abfüllungen von Tasting Fellows erinnert, wenn man sie in einem Weinfass nachgelagert hätte. Eher Trink- als Fassstärke und vermutlich Highlands oder Speyside.
Bei Nummer 2 hatte ich eine ganz andere Richtung. Klares Bourbonfass mit Vanille- und Holznoten. Dazu deutlich Gras und Kraut. Beides sowohl in der Nase, wie dann auch im Mund, mit einem malzig-süßen Abgang. Das hat mit an Cragganmore erinnert. Als Gemeinsamkeiten hätte ich höchstens den Alkoholgehalt und die Region gesehen.
Also Marco dann meinte, dass beide aus derselben Destillerie seien und das gleiche Finish bekommen hätten, war ich dementsprechend verwirrt. Nummer 2 hatte für ganz eindeutig kein Weinfass gesehen und Nummer 1 war keinesfalls ein Cragganmore. Dementsprechend nur Fragezeichen über dem Kopf. Die nächste Info war, dass beide ein Portwein-Finish bekommen haben. Bei Nummer 1 fand ich das schlüssig, bei Nummer 2 überhaupt nicht. Der begann sich allerdings inzwischen deutlich zu verändern. Die grasigen Noten traten in den Hintergrund, dafür kamen Beeren und Fruchtnoten durch.
Weitere Info, einer 14 Jahre alt, der andere über 20. Für uns war die Sache klar, der erste musste der ältere sein. Nur Stefan neben mir meinte, dass die deutliche Veränderung über die Zeit im Glas eher dafür sprächen, dass Nummer 2 der ältere wäre. Und damit lag er völlig richtig. Die Auflösung: Nummer 1 war ein Tomatin 14, Port Wood Finish, OA, 46%, Nummer zwei ein Tomatin 25, OA, 46%.
Beides übrigens richtig tolle Whiskys, bei denen anfangs der 14jährige klar vorne lag. Der hat mit ~50 € in jedem Fall auch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

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Zweite Paarung
Das zweite Paar war dann offensichtlich nicht mehr aus der Kategorie Trink- sondern Fassstärke. Beide kamen deutlich wuchtiger und alkoholischer als die Tomatins. Und beide waren offensichtlich in Bourbonfässern gelagert. Und beide hatten noch eine andere Gemeinsamkeit, nämlich Lösungsmittel als erste Assoziation beim Riechen. Bei Nummer 3 war das eher Uhu, dann aber aber sehr dominant Bananenchips, dazu Toffee und Holznoten. Bei Nummer 4 war es Ponal, dann Erdbeeren und möglicherweise Kokos. Im Mund war Nummer 3 sehr süß, mit Frucht, sahnig-cremigen Noten, Holz und einem sehr malzigen Abgang. Nummer 4 hingegen war vor allem wuchtig, scharf und intensiv, dahinter konnte ich erst etwas schmecken, als ich ihn deutlich runterverdünnt hatte. Da kamen dann Getreidenoten heraus, aber so richtig fassen konnte ich ihn trotzdem nicht. Trotz Wasserzugabe blieb mir der auch zu ruppig. Zum Alter der beiden konnte ich absolut gar nichts sagen, da war ich völlig blank. Ebenso, was mögliche Destillerien anging.
Die waren diesmal unterschiedlich, aber beide waren vom gleichen Abfüller: A. D. Rattray. Nummer 3 war ein Glenlivet, 22 y.o., 49,7%, Nummer 4 ein Auchroisk, 23 y.o., 56,5%. Mit Bourbonfass und Fassstärke lagen wir richtig, Glenlivet schätze ich zwar (auch diesen hier), könnte ich aber nicht rausschmecken und Auchroisk ist zu ausgefallen für mich. Der letzte war insgesamt auch nicht meine Welt, trotz seines Alters einfach zu alkoholisch und zu ruppig.

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Essenspause, wie immer mit Antipasti.

Dritte Paarung
Unsere Erwartung war, dass jetzt irgendwas aus dem Sherryfass kommen müsste, was sich dann auch bestätigt hat. Nummer 5 hatte klare Sherrynoten, dazu aber auch Torf und etwas, das an Wurzeln erinnert hat. Später kamen noch Leder und Marzipan dazu. Im Geschmack mächtig, mit deutlichem Torf aber auch schwerer Süße. Beides hat sich immer wieder abgewechselt, bei jedem Schluck war wieder was anderes im Vordergrund. Der Tipp war hier, dass es sich um einen Islaywhisky aus dem Sherrafass handelt. Bei der Destillerie hätte ich am ehesten auf Bowmore getippt, abgefüllt in Fassstärke.
Bei Nummer 6 war die erste Assoziation sofort Caol Ila. Kräftiger Rauch und Zitrusnoten in der Nase. Geschmacklich in eine ähnliche Richtung, aber dabei ziemlich straight und ohne übermäßige Entwicklung im Abgang. Den Alkoholgehalt hätte ich auch auf Fassstärke gesetzt.
Die große Ãœberraschung war dann aber die Aussage, dass es sich bei beiden um Blends handeln würde. Bei dem zweiten konnte ich das noch nachvollziehen, wobei noch nie einen so torfigen Blend im Glas hatte und die Entwicklung im Mund zwar nicht spektakulär war, aber doch wahrnehmbar. Bei Nummer 5 hab ich das aber überhaupt nicht mit dem zusammengebracht, was ich da im Glas hatte. Dieses ständige Schwanken zwischen verschiedenen Richtungen war völlig untypisch. Die Auflösung hat dann aber auch die Aufklärung gebracht. Nummer 5 war zwar „blended“, aber von Marco selber und nicht als fertige Abfüllung. Als Experiment hat er hier Laphroaig Quarter Cask und Aberlour a’bunadh zu gleichen Teilen zusammengeschüttet. Das erklärt natürlich die Eindrücke. Das Ergebnis legt dann auch nahe, da durchaus selber mal ein bisschen rumzuprobieren. Schlecht war das nicht (und ich fand es auch besser als den Aberlour pur).
Nummer 6 war aber tatsächlich ein Blend, nämlich der Flaming Heart von Compax Box. Für einen Blend tatsächlich überraschend, allerdings würde ich mir für ~ 100 € dann doch eher was anderes ins Regal stellen.

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Letzter Whisky
Zum Abschluss noch ein einzelner Whisky. Auch hier waren zwei Dinge überdeutlich: Torf und Sherry. In der Nase waren Schwefelnoten und Schinken mehr als präsent, der Geschmack recht ruppig und eben Torf in Kombination mit Sherrysüße. Hier hat mein Tipp nun wirklich ziemlich gut funktioniert. Ich kann nicht genau sagen, an welchen Faktoren ich es fest gemacht habe. Es waren wohl die (über)deutlichen Noten ohne große Komplexität. Jedenfalls hatte ich deutlich den Eindruck, hier einen sehr jungen Lagavulin im Glas zu haben, der nur im Sherryfass gelagert wurde. Das wäre aber immerhin ungewöhnlich, denn es gibt keine entsprechende Originalabfüllung und bei Lagavulin auch nur sehr sehr wenige unabhängige Abfüllungen.
Die Lösung war der Ileach. Man weiß nicht genau, was hier drin ist. Aber gutinformierte Gerüchte besagen, dass Diageo mit dieser Abfüllung neue Sherryfässer für die teureren Abfüllungen vorbereitet und einen ihrer Islaywhiskys hier 3 Jahre lagert und dann verkauft. Das kann also nur Lagavulin oder Caol Ila sein, wobei Caol Ila rein von den Produktionsmengen und der Verwendung her sehr viel wahrscheinlicher ist als Lagavulin. Geschmacklich erinnert er mich trotzdem eher an den zweiten.
Hier hat das Blind Tasting auch wieder alles gezeigt, denn die meisten waren extrem überrascht und einige hätten den wohl wesentlich schlechter bewertet, wenn sie vorher gewusst hätten, was sie da im Glas haben.

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Das Fazit hab ich ja schon vorweg genommen. Das war eine richtig schönes und spannendes Tasting, bei dem man seine eigenen Sinne und ein paar neue und alte Whiskys (neu) erfahren konnte. Super und gerne wieder!

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