Menschen lieben Rituale. Besonders Feiern runder Jubiläen. Dazu laden wir Freunde und Wegbegleiter ein, kredenzen ihnen kulinarische Freuden und bekommen dafür im Gegenzug eine gute Zeit und das eine oder andere Geschenk. In diesem Fall war der Jubilar Munich Spirits, eine Vereinigung von Whisky- und Genussliebhabern.
Mit 5 Jahren ist er noch nicht als rüstig zu bezeichnen, aber für sein Alter jedenfalls als ziemlich umtriebig und aktiv. Die Einladung war selbstverständlich zu einem Tasting, die kulinarischen Freuden in vorwiegend flüssiger Form und die gute Zeit ein Selbstläufer. Einzig das Geschenk war untypisch, denn dieses sollte nicht dem Jubilar dienen, sondern einem guten Zweck, weswegen es in Form einer (am Ende des Abends mit 1500 € recht stattlichen) Spende an viSozial erfolgte. In Anbetracht dessen, was wir oftmals für Whisky auszugeben bereit sind, eine sehr angemessene und schöne Aktion.
Dass an diesem Abend nicht nur alte Geschichten und Photos ausgetauscht, sondern auch sehr viel gelacht wurde, versteht sich bei diesem Kreis von Menschen selber. Genuss lässt sich eben auf sehr viele Arten definieren und hier muss er nicht in starre Korsetts gezwängt werden. Auch das ist angemessen und schön.
Angemessen und schön waren aber natürlich die Tropfen, die wir zur Feier des Tages getrunken haben und denen ich mich nun im Folgenden widmen werde:
Die Eröffnung war ein Glen Moray, Single Cask Collection, 1990 – 2012, Bourbon Cask #4560, 55.0%. Die erste Nase ließ fast einen Bourbon vermuten, so deutlich waren die Vanille- und Holznoten des Fasses. Deutlicher Alkohol, dann Fruchtnoten. Fruchtiger Speysider aus dem Bourbonfass? Im Moment genau mein Wetter, was die Vorfreude steigen lässt. Dann allerdings geschieht etwas, das bei diesen Tastings glücklicherweise die Ausnahme ist – ich werde enttäuscht. Nicht schlimm, aber doch, ja, der Geschmack hält nicht, was der Geruch verspricht. An sich wäre alles richtig, die Fruchtnoten sind da, das Bourbonfass und vermutlich auch noch mehr; nur wird es vom deutlichen Alkohol weit in den Hintergrund geschoben. Nun gut, der Glen Moray hat Fassstärke, geben wir ihm eben etwas Wasser. Aber das hat einen ungewöhnlichen Effekt: nicht der Alkohol verschwindet, sondern der Geschmack. Und das leider deutlich. Da man das Wasser nun nicht mehr rausbekommt, ist die Eröffnungsdram damit leider hinüber. Schade, aber man kann ja nicht immer Treffer landen. Und er war ja auch nicht schlecht – nur bei Weitem nicht so gut, wie er erwarten ließ.
Also weiter zu Nummer zwei, einem Clynelish, Malts of Scotland, 1982 – 2011, Bourbon Cask #11015, 53.7%. Als erste Assoziation kommt mir Holzleim in den Sinn, aber das verfliegt schnell. Äpfel, Bienenwachs und Honignoten lösen den Geruch ab, Pit findet ein Sturmtief, das gerade am Aufziehen ist. Aprikosenmarmelade wird auch genannt. Geschmacklich finde ich ihn nicht ganz so eindeutig, aber die bereits genannten Noten finden sich auch hier. Feines Stöffchen, das den Vorgänger deutlich auf die Plätze verweist.
Richtig groß wird es dann allerdings mit der nächsten Dram. Mit dem Glencadam, Whisky-Fässle, 37 Jahre, 41.5% steht der älteste Teilnehmer des Abends an. Stattliche 37 Jahre hatte er zum Reifen im Fass und die schmeckt man auch. Der Geruch ist mild, aber vollmundig, mit gelierten Früchten und leicht würzigen Noten dahinter. Nach einiger Zeit im Glas, die er auch braucht, kommen noch Nuss- und Mandelaromen dazu. Geil! Daran könnte ich mich allein schon einen Abend lang festriechen. Nachdem ich mich etliche Minuten davon abgehalten habe, einen Schluck zu nehmen, damit er genug Luft bekommt, ist es dann aber endlich doch soweit. Hier hält der Geschmack auch alles, was die Nase verspricht. Nach einer kurzen aber nicht übermäßigen alkoholischen Schärfe kommen schwere, ölige Fruchtnoten heraus, Geleebananen darunter. Die Süße bekommt in einem langen und facettenreichen Abgang Würze dazu. Richtig guter Stoff!
Vor dem Essen wird noch Nummer 4 ausgeschenkt, an dem ich aber nur nippe und ihm dann während Antipasti und Brot Zeit gebe, sich mit dem Glas anzufreunden. Da der Bunnahabhain, Berry Brothers & Rudd, Sherry Cask #20, 1990 – 2011, 54.1% eine fette Sherrybombe ist, hat er kein Problem, Essig und Öl genug entgegenzusetzen. Schon in der Nase macht sich Malaga, Rosine und Schwefel breit und lässt wenig Raum für anderes. Der Geschmack ist entsprechend, Sherry aus vollen Rohren. Das kommt schon sehr gut, aber Pits Einwand, dass man dahinter den Charakter der Destillerie nicht mehr finde kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Erkannt hätte ich den auch nicht, was in der Tat ein wenig schade ist, da ich Bunnahabhain für ihren Stil schon zu schätzen weiß. Aber das soll jetzt nicht zu negativ klingen, der macht schon ziemlich Laune.
Was kann als nächstes kommen? Etwas Ungewöhnliches. Passend zum Thema hat Pit einen alten jungen Whisky aufgetrieben, den MacInlay mit 5 Jahren, destilliert 1978. Der Geruch kann in Anbetracht dieser kurzen Reifezeit überraschend viel. Honignoten sind im Vordergrund, der Alkohol hält sich dagegen zurück. Geschmacklich enttäuscht er zwar beim ersten Nipper, aber das liegt allein an der Menge. Auf den Tipp von Pit hin ist der zweite Schluck ein großer (sprich: das komplette Glas) und damit funktioniert er auf einmal prächtig. Kaffee und Cappuccino scheinen sich im sich im Mund auszubreiten, dazu ein wenig Honig wie er auch schon im Geruch zu finden war. Nicht schlecht für das Alter, Respekt. Kann man sich schon mal einen Abend lang mit beschäftigen, auch wenn die Flasche dann recht schnell leer ist.
Zum Abschluss wurde es dann nochmal richtig klasse und das gleich mehrfach. Hier ist der Platz für die torfigen Whiskies, die oftmals keine Widersacher mehr neben sich dulden, sondern diese unter Rauch und Schinken an den Rand der Wahrnehmung vertreiben. Mir ist das inzwischen oft zu einseitig und zu dominant. Torf als Baustein ist eine Sache, aber der Trend, ihn so weit in den Vordergrund zu stellen, dass er nichts anderes mehr zulässt, mag mir nicht so richtig gefallen. Denn es geht ja auch anders und das bekommt man nun wieder vorgeführt.
Als erstes von einem Ardbeg, OB hand bottling, 1978 – 1999, 43.0%, ein Name, der heute für genau die beschriebenen übertriebenen Torfattacken steht wie kaum ein anderer. Aber nicht dieser hier. Schon in der Nase ist der Torf zwar klar zu erkennen, aber hält sich trotzdem elegant im Hintergrund und lässt damit Platz für andere Assoziationen. Reife Früchte, überreife Avocado, weißer Kalk sind ein paar davon. Auch geschmacklich ist das eine ganz andere Nummer als die aktuellen Abfüllungen. Vollmundig und erdig, aber dabei erstaunlich mild und elegant. Ganz spät kommt eine wunderbare, leichte Süße dazu, generell ein irrer Abgang. Schlägt eindeutig alles, was wir bislang getrunken haben – auch den Glencadam.
Aber er bekommt trotzdem noch Konkurrenz, und zwar in Form eines Port Ellen, Reifferscheid Rhine Collection, Cask #229, 1983 – 2011, 54.3%. Auch hier ist der Torf deutlich, aber nicht übermächtig vorhanden. Wo der Ardbeg aber erdig und tiefgründig war, ist der Port Ellen luftig und frisch, wird aber mit der Zeit im Glas immer massiver. Zitrusfrüchte sind deutlich zu vernehmen, Gewürznoten dazu und ebenfalls ein langer und vielschichtiger Abgang. Auch hier steht die elegante Kombination von verschiedenen Geschmacksnoten im Vordergrund, nicht die Dominanz einer Richtung. Schwer zu sagen, wer von den beiden letztlich der Tagessieger war, aber die beiden waren ohne jede Diskussion ganz vorne.
Nach den offiziellen Flaschen hat sich noch ein dritter Vertreter von Islay in den Ring begeben, ein Laphroaig, Single Cask Collection, 1998 – 2011, Cask # 700287, Bottle 153 of 256, 60,8%. Kein leichter Stand nach den beiden Whiskys davor und denen musste er sich natürlich auch geschlagen geben, aber er konnte sich trotzdem Respekt verschaffen. Zwar waren hier Torf und die für die Destillerie typischen medizinischen Jodnoten sehr viel deutlicher zu vernehmen, aber auch dieser Tropfen zeigt, dass die Islaywhiskies von der Südküste keine einseitige Angelegenheit sein müssen (und dass die unabhängigen Abfüllungen bzw. Einfelfässer die Originalabfüllungen eben doch oftmals auf die Plätze verweisen).
Ich hätte ihm gern noch mehr Zeit gegeben und wäre überhaupt noch gern länger geblieben, aber der Zug wollte nicht auf mich warten und so musste ich die Runde leider verlassen.
Aber ich will nicht meckern, das war ein wunderbarer Abend. Alles Gute, Munich Spirits!
Klasse Review, als ob ich dabei gewesen wäre 😉
In der Tat, die gute Sache wurde unterstützt und wir konnten feine Drams genießen, wunderbarer Abend in lieber Gesellschaft!