Pit Krause hat ein Faible für kultige Locations bei seinen Tastings. Nach der Trambahn war diesmal ein historischer Irish Pub an der Reihe. Nun sind ebensolche in München natürlich rar gesäht – aber es gibt sie. Also einen zumindest. Mike Nagel, der einige Jahre in Irland verbracht hat, hat einen mit alten Möbeln und Utensilien aus aufgegebenen Pubs von dort in einer ehemaligen Schluckstubn in Untergiesing liebevoll aufgebaut. Im Zentrum steht die niedrige Bar, die Wände sind voller alter Blech- und Emailleschilder mit Werbung für Guinness und Co., in Vitrinen stehen verstaubte Flaschen und Gläser. Das auffälligste aber ist der Mangel an Sitzgelegenheiten, der nicht in erster Linie dem fehlenden Platz, sondern ebenfalls der Authentizität geschuldet ist. Denn wie wir gleich zum Einstieg erfahren, musste man früher in irischen Pubs stehen; und wer das nicht mehr konnte, der musste heimgehen. Eine simple, aber doch effektive Art, übermässigen Alkoholkonsum zumindest zu begrenzen. Obendrein aber auch eine gute Möglichkeit, Kommunikation und Austausch unter den Anwesenden anzuregen, denn ohne festen Sitzplatz mischt sich alles konstant durch und man steht ständig neben anderen Gästen. Auf Parties hat man hin und wieder einen ähnlichen Effekt.
Normal zugänglich ist der Pub zwar nicht, aber er kann für Veranstaltungen gemietet werden. Wie eben für dieses Tasting, dem er eine doch würdige Location geboten hat. Mit gut 30 Leuten war es dann auch sofort ziemlich kuschelig. Der eine oder andere der Whiskys, die heute alle im eher hochpreisigen Segment angesiedelt waren, befördert die Temperatur obendrein:
1. Warm-up: Bushmills 21 y.o. OB (bottled 2003) Single Malt, 40%
Die große Zeit des irischen Whiskeys ist lange vorbei. Die wenigen verbliebenen Distillerien gehören fast alle zusammen und stehen weit hinter der schottischen Übermacht zurück, sowohl was den Umsatz angeht als auch in der Wahrnehmung der Whisk(e)y-Fans. Verdient haben sie das meiner Meinung nach aber nicht, denn auch unter den Iren gibt es durchaus Tropfen, die sich nicht verstecken müssen. Der zehnjährige Bushmills ist mit seinem Aroma von grünen Äpfeln einer meiner Favoriten in der Kategorie leichte Sommerwhiskys. Sein 16jähriger Bruder ist ebenfalls ordentlich, wenn auch ein wenig überteuert. Vom Geruch und der Farbe her erinnert dieser 21jährige hier an ebendiesen 16er, im Geschmack findet sich auch der Apfel des jungen wieder. Insgesamt ausgesprochen mild und sehr ausgewogen. Eines der drei Fässer, in denen er gereift ist, war ein Madeirafass und das gibt ihm eine angenehm bittersüße Note. Gefällt mir, nicht nur als Einstieg.
2. Balmenach 32 y.o. Maltbarn 1979-2012, Bourbon Barrel, 209 btl., 53,1%
Ältere Whiskys brauchen oftmals Zeit im Glas, bevor sie sich voll entfalten können. Ich bin mit der Faustregel, ihm für 2 Jahre Alter 1 Minute zu geben, bevor ich ihn trinke, recht gut gefahren. In diesem Fall ist das besonders wichtig, denn hier tut sich richtig was. Gute 10 Minuten hängen wir mit den Nasen in den Gläsern und dabei ändert sich die Wahrnehmung konstant und drastisch. Aromen kommen, verändern sich, verschwinden wieder und weichen anderen. Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, man hätte ständig einen völlig anderen Whisky im Glas. Im ersten Moment erinnert es an eine frisch aufgerissene Tüte Trockenfrüchte, dann kommen Marzipan, grüne Trauben, Süsswein wie Marsala oder auch Messwein beim Abendmahl, Birne, später Kokos und das alles sehr intensiv. Geschmacklich passiert nicht ganz so viel, aber die Früchte und das Kokosaroma kommen auch hier raus. Pit hat uns anfangs erzählt, dass Johnny Depp zwar keinen Whisky trinkt, sich aber gerne in Bars einen 16jährigen Lagavulin bestellt, weil er den Geruch so faszinierend findet (damit macht er sich vermutlich gute Freunde, die gern mit ihm weggehen). Den Balmenach könnte man also vielleicht als Johnny-Depp-Whisky bezeichnen, denn in der Nase passiert mehr als im Mund, auch wenn der Geschmack alles andere als schlecht ist. Trotzdem insgesamt eher interessant als überragend.
3. Lochside 26 y.o. Blackadder Raw Cask (for USA) 1981-2007, Oak Hogshead 618, 218 btl., 75 cl, 55,8%
Wo wir gerade bei überragend sind. Dieser Whisky ging eigentlich zum Verkauf in die USA, wurde dort aber verschmäht und kam zurück nach Europa; was sehr eindeutig nicht für den Geschmack der Amerikaner spricht, denn der Lochside ist absolut phantastisch und mein Gewinner des Abends. Der erste Geruch erinnert an Eukalyptus oder Menthol, aber ein Hustnguatl ist ja zu der Jahreszeit auch nicht verkehrt. Ebenfalls sehr gut bei Erkältung soll heisser Holundersaft sein und über diesen geht der Eindruck zu schwarzer Johannisbeere. Mit Hustensaft oder Bonbons hat das jetzt gar nichts mehr zu tun, sondern ist einfach nur noch toll, in der Nase wie im Mund. Langer Abgang, komplexe Frucht – groß. Die Vorurteile über die doofen Amis müssen doch wahr sein.
Eine offizielle Essenspause gibt es heute nicht. Im Nebenzimmer sind Baguettes und Schmalzbrote aufgebaut, die man sich einfach bei Bedarf einverleiben kann, was wir an dieser Stelle tun. Da wir direkt vor dem Tasting beim Essen waren und uns damit eine gute Grundlage geschaffen haben, reicht uns auch ein kleiner Snack.
4. Glenmorangie ‚SIGNET‘ OB, 46%
Glenmorangie hat genau wie die eingangs erwähnten Iren keinen allzu guten Ruf unter Kennern – und hat diesen aus meiner Sicht ebenso nicht ganz verdient. Der 10jährige Standard ist ein einfacher, aber ehrlicher, straighter Speyside-Whisky und für mich in der Hinsicht auch ein bisschen die Referenz. In der Vergangenheit hat man obendrein (genau wie Macallan) sehr viel Wert auf die Auswahl der Fässer gelegt und damit eigentlich immer mindestens gute Whiskys geschaffen. Mit dem Signet versucht man nun, weiter nach vorne zu gehen und neue Richtungen auszuloten. Ein spezielles Malz soll „Roasted Chocolate“ in den Whisky bringen, dazu gibt es eine hochmoderne und auch tatsächlich ziemlich stylische Flasche mit massivem und schwerem Glaskorken. Der Whisky ist schwer, süß und erinnert beinahe ein wenig an Likör. Kaffee und dunkle Schokolade kommen durchaus heraus, Ecken und Kanten gibt es keine. Das Ergebnis ist durchaus gefällig, aber für den Preis, den Glenmorangie verlangt (aktuell um die 120 €), letztlich doch etwas zu unspektakulär und gewöhnlich. Interessant um mögliche Entwicklungen aufzuzeigen, aber ins Regal stellen würde ich mir den zumindest zu dem Preis auf gar keinen Fall.
5. Macallan 21 y.o. Murray McDavid (USA-Import), Dec. 1974 – Nov. 1996, fresh Sherry Cask MM 6024, 46%
Macallan gehört zu den großen Namen bei Kennern und zumindest bei den alten Abfüllungen auch völlig verdient. Die rufen dementsprechende Preise auf und mit diesem Tropfen sind wir dann endgültig in einem Bereich, der meinen finanziellen Rahmen eindeutig sprengt. Allerdings wird meine eigene Limitierung der Sensorik hier wiederum zum Vorteil. Zwar kann ich oftmals schon ahnen, wenn es sich um einen richtig überragenden Whisky handelt, das komplette Übererlebnis hab ich dabei aber im Vergleich zu anderen Whiskys meist nicht, denn dafür fehlt mir (vielleicht noch) das nötige letzte Feingefühl, um hinter die wirklich komplexen Zusammensetzungen und Feinheiten zu kommen. Das mag nun schade sein, schont aber andererseits wieder den Geldbeutel, denn in der oberen Mittelklasse findet sich damit dann auch wieder genug, was mich begeistert. Dieser Macallan ist hierfür wieder ein Beispiel. Einerseits ist er quasi perfekt ausgewogen. Die verschiedenen Aromen (vor allem Kirsche, bzw. die Füllung von Lebkuchenherzen, etwas Orange, Holz und für manche auch Zigarre) sind völlig ausbalanciert, nichts ist dominant oder im Vordergrund. Das kann man wohl kaum besser machen. Andererseits fehlt ihm die Entwicklung, das alles ist sofort im Mund da und bleibt auch genau so bis in den Abgang hinein. Damit verliert er bei mir bei aller Klasse, die er wohl sicherlich hat, gegen den Lochside doch recht eindeutig.
6. Highland Park 29 y.o. Douglas Laing Old & Rare Platinum Selection (UK Import) 3.1978 – 3.2007, Sherry Cask, 328 btl., 56,7%
Bei Highland Park kann ich mich nie so recht entscheiden, ob ich ihn jetzt toll finde, oder nicht. Der hier fällt aber in jedem Fall in die erste Kategorie und gehört zu den Highlights des Abends. Schon in der Nase ist er kräftig und wuchtig, mit viel Kraut und wenig Rauch. Die Berggeher kennen vielleicht den Trick, ein Taschentuch auf einen Ameisenhaufen zu legen und sich dann mit der Säure, die die Ameisen auf den Eindringling sprühen, zu erfrischen. Daran erinnert mich der Geruch ein wenig. Ansonsten kommt das Meer durch und der Sherry gibt ihm Tiefe dazu. Der Geschmack ist herb und geht dann langsam in eine malzige Süße über. Der perfekte Whisky für schlechtes Wetter an der Küste.
7. Bowmore 16 y.o. Signatory Vintage Unchillfiltered Collection 19.04.1994 – 09.03.2011, Hogsheads 565 & 567, 773 btl., 46%
Bowmore steht bei den Torfgranaten von Islay immer etwas hinter den 3 großen Namen von der Südküste der Insel zurück, womit wir wieder beim Thema unverdient wären. Typisch sind die Beerenaromen, die den Abfüllungen eine ganz eigene Note geben. Hier sind es allerdings eher grüne Beeren, Stachelbeeren vielleicht. Auch unreife Banane meine ich im Geruch zu erkennen. Geschmacklich gibt es natürlich Torf, aber mit nur wenig Rauch dabei. Insgesamt recht komplex und wir raten vergeblich an einigen Noten herum. Pit bringt uns dann noch auf Veilchen und das ist in der Tat deutlich vertreten. Gefällt, gerade auch deswegen, weil er eher ungewöhnlich ist.
8. Port Charlotte 10 y.o. The Stillman’s Cask Selection 2001-2011, Sherry Hogshead, 317 btl., 57,8%
Während der typische Stil bei Bruichladdich eher schwach bis gar nicht getorfte Whiskys sind, geht man mit den Port Charlotte Abfüllungen in Sachen Torf in die Vollen. Gegenüber dem Stammsitz werden massive Tropfen gelagert, die trotz ihres jungen Alters bereits eine erstaunliche Komplexität aufweisen. Als wir auf Islay waren, haben wir vor Ort den PC6 mitgenommen, der sich trotz seiner nur 6 Jahre im Fass in meinem Regal nicht vor der Konkurrenz verstecken muss. Der hier ist nun 10 Jahre alt, die er in einem kleinen Sherryfass (und somit intensiver Reifung) verbracht hat. In der Nase wirkt er allerdings noch sehr unfertig. Torf und Sherry spielen hier Battleship, ohne dass einer als Gewinner hervorgeht und ohne dass eine Verständigung auch nur denkbar wäre. Der Geschmack überrascht dann aber, und zwar ausgesprochen positiv, denn er ist wider Erwarten völlig harmonisch. Geräucherter Schinken ist kommt zwar mit aller Wucht heraus, aber an diesen schmiegt sich die Süße, die er im Sherryfass bekommen hat, beinahe zärtlich an und bleibt die ganze Zeit wahrnehmbar. Gefällt mir sehr sehr gut und zeigt, dass wir von den Port Charlotte Abfüllungen wohl noch Großes erwarten dürfen, wenn sie mal älter werden.
Das war der Abschluss, aber nach diesem Tropfen kann eh nicht mehr viel kommen, hier gehen die Geschmacksknospen jetzt schon an die Grenze.
Insgesamt ein rundum gelungener und lustiger Abend, an dem wir nicht nur tolle Whiskys getrunken, sondern auch einiges über irische Pubs erfahren haben. High End Tasting eben, in jeder Hinsicht. Danke Pit, bis zum nächsten Mal!
Vielen Dank für diesen tollen Bericht. Trifft die Nägel auf ihre Köpfe 😉 Der Balmenach hat es in diesem Ambiente schwer, sei Können zu eigen, das ist ein „Bastelwhisky“.
Ãœbrigens: Glenmorangie ist ein Highlander, kein Speysider. Doch bei so viel Holzeinsatz ist Herkunft und Region eher untergeordnet. Klugscheißmodus nun wieder aus…
Danke auch für Euren Besuch, Ihr seid uns immer ganz besonders liebe Gäste.